In den Medien und in Äußerungen von Politikern wird zurzeit darum gewettet, wann nun endlich die Pandemie mit allen lästigen Einschränkungen vorbei ist und wir wie gewohnt weitermachen können. Freedom Day im Oktober wie der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Gassen fordert? Oder doch erst im Frühjahr wie Gesundheitsminister Jens Spahn vorsichtiger ankündigt?
Der Denkfehler bei diesen Diskussionen besteht darin zu glauben, dass mit einem Ende des Pandemie-Status alles wieder gut wäre und wir diese schwere Zeit getrost abhaken können. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus ähnlichen Situationen legen ganz andere Schlussfolgerungen nahe. Denn meistens wird vergessen, dass für viele Menschen diese Zeit auch psychisch sehr belastend war und längerfristig weiterhin zu Leiden und Störungen führen kann.
Insbesondere Menschen, die einige Zeit in Quarantäne waren, können auch längerfristig noch psychisch leiden. Die Symptome reichen von Ärger, Verwirrung bis hin zur Posttraumatischen Belastungsstörung. So zeigten Mitarbeitende des Gesundheitswesens nach einer Quarantänezeit wegen einer möglichen SARS-Infektion folgende Symptome in deutlich höherem Maße, als nicht Betroffene:
- Erschöpfung
- Rückzug von anderen Menschen
- Ängste bei der Behandlung von Patienten mit Fieber
- Reizbarkeit
- Schlaflosigkeit
- Schlechtere Konzentration und Entscheidungsfähigkeit
- Verschlechterte Arbeitsleistung
- Unwille zu arbeiten oder Gedanken an Kündigung.
Selbst drei Jahre nach einer Quarantäne finden sich noch signifikant mehr Symptome von posttraumatischem Stress und Depressionen. Kinder mit Quarantäne-Erfahrungen litten viermal so häufig unter psychischen Symptomen wie nicht betroffene Altersgenossen.
Welche Faktoren können diese psychischen Leiden auslösen und begünstigen? Aus verschiedenen Studien lassen sich insbesondere zwei Ursachen finden:
- In Quarantäne gewesen zu sein
- In einer Arbeitsumgebung mit hohem Ansteckungsrisiko gearbeitet zu haben.
Während der Quarantänezeit wurden besonders folgende Belastungen negativ empfunden: Dauer der Quarantänezeit, Angst vor Infektion, Frustration und Langeweile, unzureichende Versorgung, ungenügende Information.
Auch nach der Quarantänezeit können noch Stressauslöser bestehen: Finanzielle Verluste wegen nicht erbrachter Arbeitsleistung und Stigmatisierung durch andere.
Um späteren Störungen vorzubeugen, lässt sich schon während einer Quarantäne viel tun: verständlich machen, warum die Quarantäne nötig ist, schnelle und effektive Kommunikation, ausreichende Versorgung (medizinisch und mit Lebensmitteln), möglichst kurze Quarantänedauer, möglichst Freiwilligkeit der Quarantäne, Betonung der altruistischen Haltung: die Selbstisolierung findet zum Wohle anderer Menschen statt.
Wichtig: Insbesondere Beschäftigte im Gesundheitswesen werden in den nächsten Jahren besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung benötigen, um psychische Belastungen aufzuarbeiten und Störungen zu vermeiden. Viele haben wegen der großen Belastung bereits ihren Beruf aufgegeben. Das ist sehr bedauerlich, weil dahinter menschliches Leid steckt und auch jede Pflegekraft dringend gebraucht wird!
In über 40.000 Fällen wurde eine Corona-Erkrankung bei Beschäftigten im Gesundheitswesen bereits als Berufskrankheit anerkannt.
Im Sinne des Arbeitsschutzes sind hier auch die Arbeitgeber gefragt, Maßnahmen gegen die psychische Belastung der Belegschaften zu ergreifen.
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