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Buchbesprechung "Im Grunde gut - Eine neue Geschichte der Menschheit"

 

Schon lange habe ich kein Buch mehr mit solcher Begeisterung gelesen! Nicht umsonst ist es in der Spiegel-Bestsellerliste gelandet. Dabei ist das Thema auf den ersten Blick ausgesprochen schwer und anspruchsvoll. Es geht um nichts weniger, als um die Frage, ob der Mensch im Grunde seines Wesens gut oder böse ist.

 

Der Historiker Rutger Bregman setzt sich also mit dem Menschenbild auseinander, das die Grundlage für die Gestaltung unserer gesamten Gesellschaft bildet. Hat man im Hinterkopf die Vorstellung, dass Menschen eigentlich böse sind, werden Familien, Regierungen, Gesetze, Arbeitsbedingungen entsprechend gestaltet. Dann wird man davon ausgehen, dass Kontrollen und Strafen unbedingt nötig sind, um das Schlechte im Zaum zu halten. Häufig stützt sich diese pessimistische Einstellung der Menschheit gegenüber auf Studien und Erfahrungen aus der Geschichte.

 

Dieses negative Bild demontiert der Autor Stück für Stück, indem er die historischen Ereignisse, die scheinbar das Schlechte im Menschen beweisen, einer genauen Prüfung unterzieht. Dabei stellt er fest, dass die Erzählungen von Massakern und Ähnlichem häufig entweder frei erfunden sind oder aber völlig anders stattgefunden haben. Dabei leugnet er natürlich nicht, dass solche schrecklichen EReignisse immer wieder vorkommen, dass der Grund dafür aber nicht die Bösartigkeit des Menschen an sich ist.

 

Auch an den Grundfesten psychologischer Erkenntnisse wird gerüttelt. Viele klassische Studien, die alle Psychologiestudierenden auch heute noch lernen, sind nach Bregmans Recherchen ebenfalls bestenfalls ungenau und unprofessionell gemacht, im schlimmsten Fall sogar bewusst gefälscht. Als Psychologin war das für mich schon sehr erschreckend und bitter, zu lesen wie Wissenschaft und Medien teilweise bewusst falsche Erkenntnisse verbreiten, um selbst besser da zu stehen.

 

Erfreulicherweise kommt der Autor aber nach einer gründlichen Auseinandersetzung mit der historischen und psychologischen Faktenlage zur Überzeugung, dass die Menschen im Grunde gute und soziale Wesen sind. Wenn dem so ist, hat das weitreichende Konsequenzen für eine sinnvolle Gestaltung unserer Gesellschaft und Lebenswelt. Wir könnten weitgehend auf Strafmechanismen (Gefängnisse, Geldstrafen, Kündigungen usw.) und Kontrollen verzichten. Stattdessen sollten wir Bedingungen schaffen, um dem Gutem im Menschen Gelegenheit zur Entfaltung zu verschaffen. Bregman bringt für die praktische Umsetzung faszinierende Beispiele z. B. aus dem Bildungswesen und Strafsystem.

 

Die Vorstellung, in einer Gemeinschaft von Menschen zu leben, die größtenteils gut sind, ist sehr befreiend. Vorauseilendes Misstrauen, Abschottung und Anfeindung sind völlig überflüssig. Wir können darauf vertrauen, dass im Notfall Menschen für einander einstehen und sich im Allgemeinen nicht schaden wollen.

 

Dieses anspruchsvolle und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen unterlegte Thema stellt der Autor auf höchst unterhaltsame und gut lesbare Weise dar. Das Buch liest sich leicht weg, wie ein spannender Roman.

 

Die Leserinnen und Leser erwartet ein hochspannendes Thema, das jeden angeht, packend und spannend dargestellt und gleichzeitig gut nachvollziehbar wissenschaftlich untermauert. Ein Happy End wird zumindest in Aussicht gestellt. Was will man mehr von einem guten Buch? Also absolute Kaufempfehlung!

 

„Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit“, Rutger Bregman, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2021, 15,00 €

 

 

 

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